Die Kapelle auf dem Tussetberg | |
Ein Bericht von Otto Veith | |
3. Die Kreuzwege
Drei Kreuzwege führen auf den Tussetberg. 1. Tusseter Kreuzweg Er begann bei der Ortschaft Tusset und endete bei dem großen gusseisernen Kreuz mit einem Steinsockel nahe der heute versiegten Quelle. Die Jahreszahl 1872 ist darauf vermerkt. Auf dem Bild (letzte Umschlagseite) ist dieses Kreuz gut zu erkennen. 2. Böhmisch-Röhrener Kreuzweg Er begann auf dem Straßl oberhalb der Brennt-Au-Wiesen und endete bei dem Felsenabhang zur Kapelle. 3. Guthausener Kreuzweg Er führte auf dem Kapellenweg "Turmbahn" und begann beim "Fürstensteig", einem Pirschsteig, bei der "Großen Buche", oberhalb des "Brav(W)enzl-Felsens". Alle drei Kreuzwege sind in
gemalten Bildern dargestellt, die an Bäumen befestigt waren. Der
Böhm.-Röhrener Kreuzweg war verglast. Der Kreuzweg von Guthausen
war auf Blechtafeln gemalt. Alle drei waren in bäuerlicher Manier
von einheimischen Handwerkern gefertigt. |
Stationsbild des Guthausener Kreuzweges (nach Bayern gerettet und heute in der neuen Tussetkapelle) | ![]() |
4. Die Wallfahrtstage
15. August - Mariä Himmelfahrt – An diesem Tag war Patrozinium und zugleich der Hauptwallfahrtstag. Der Gottesdienst war sehr feierlich am Vorplatz der Kapelle. Die "Rindenmadonna" wurde außerhalb der Kapelle auf einem Waldaltar aufgestellt. Auch am Nachmittag war ein Gottesdienst. Meist spielten die Musikkapellen von Böhm.-Röhren und Guthausen. Die Prediger waren: nach Dr. Hilgenreiner predigte noch Dr. Petersilka aus Böhm.-Budweis (er war Abgeordneter der Christlichen Partei im Prager Parlament) und ab etwa 1924 jedes Jahr Prof. Raimund Jungbauer, ein gebürtiger Schönauer, der in Wien-Mödling Seelsorger war. 2. Juli - Mariä Heimsuchung – Zu dieser Wallfahrt am sogenannten "Kleinen Frau'tog" kamen meist Pilger aus der näheren Umgebung. Am Sonntag nach dem Anna-Tag (26. Juli) Diese Wallfahrt machten hauptsächlich Pilger aus Wallern (mit Musik) und den "Schlägen" (bis Pfefferschlag). Ostermontag "Grünebenausgang" oder"Emausgang" der Pfarrgemeinde Böhm.Röhren. Eine Wallfahrt (Prozession) ging sogar vom bayerischen Auersbergsreut zur Tussetkapelle. Werktagsmessen waren im Sommer ein- bis zweimal wöchentlich. Der Pfarrer von Böhm. -Röhren hielt diese Gottesdienste. Natürlich traf man bei
der Kapelle fast jeden Sonntag andächtige Beter aus der
näheren und weiteren Umgebung. Besucher kamen auch von weither: aus
Linz, Wien, ja sogar aus Amerika. Neben Kardinälen, Bischöfen
und Fürsten, besuchte auch der damalige Thronfolger, Erzherzog Franz
Ferdinand, die stille Waldkapelle. Das Gotteshaus war nie verschlossen
und trotzdem ist bis zur Vertreibung nie etwas abhanden gekommen. |
5. Die Kapelle Der
erste Steinbau der Kapelle, den die Marktgemeinde Wallern 1804 anstelle
der verfallenen Holzkapelle des Jakob Klauser (1791) errichtete, hielt
den Witterungsunbilden gerade 60 Jahre stand. 1864 war es der Tusseter
Waldheger August Gams, der mit Mithilfe der damaligen Revierförsterin
von Tusset und durch Spenden die Wallfahrtskapelle neu erstellen ließ.
Auch ein Altar wurde aufgestellt und die Messlizenz - fünf Messen
jährlich - erwirkt. Am 24. Juli 1865 wurde die erste Hl. Messe hochfeierlich
gelesen. Als zwei Jahre später, am 10. August 1867, der Kardinal
und Fürsterzbischof von Prag und sein Bruder, Fürst Adolf Johann
von Schwarzenberg, die Gnadenstätte besuchten, ließ die Herrschaft
auf Bitten der Bevölkerung um Vergrößerung der Kapelle
einen Vorbau "im Schweizerstil" erbauen. Fabrikbesitzer Johann
Wessely aus Tusset übernahm die Leitung und er ließ auch ein
Kreuz auf dem Felsen errichten. 1884 wurde die Kapelle abermals renoviert
und das neue Gnadenbild, das der Pfarrer von Böhm.-Röhren anfertigen
ließ, auf dem Altar in der Steinkapelle aufgestellt. 1914 wird erneut
von einer Ausbesserung berichtet. Und immer wieder haben die Leute um
den Tussetberg Hand angelegt, wenn es galt, die Kapelle der Schutzfrau
des Böhmerwaldes zu pflegen und zu erhalten. So stand noch 1967 auf
der Rückseite des fast zerstörten Altares zu lesen: |
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Verwüstet und trostlos - das Innere der alten Kapelle (1980) |
Nachdem die Deutschen aus ihrer
Heimat vertrieben waren, verfiel die Kapelle immer mehr. Zwar wurde im Jahre
1957 mit vielen Mühen durch die Familie Schmeller/Tahedl aus Guthausen
das Dach mit Dachpappe eingedeckt - man hoffte so, die Wallfahrtsstätte
erhalten zu können - doch Wind und Wetter, aber auch Vandalismus unter
den neuen Herren gaben den Gnadenort der Vernichtung preis. Votivgaben und
Hinterglasbilder wurden geraubt, die Fenster zerschlagen, Opferstock und
Kirchenbänke zertrümmert, Bilder durchschossen.
1980 war diese Waldkapelle in einem trostlosen und erschütternden Zustand. Wie lange noch hätte das Gebälk dem Schneedruck standhalten können? Und bald hätte wohl der Wald seine grünen Finger barmherzig über die zerstörte Gnadenstätte gefalten. Die Böhmerwäldler um den Tusset aber hatten in den vielen Jahren der Not und Verzweiflung die Kapelle und die Gnadenmutter in ihren Herzen bewahrt. |
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Dem Verfall preisgegeben - Die Gnadenkapelle auf dem Tussetberg im Jahre 1980 |
In der tschechischen Zeitschrift
"Sumava" Nr. 19/1984, Seite 21-22, schrieb Ph. Dr. Vaclav Stary
u. a. über die Tussetkapelle: "In der heutigen Zeit verlor die Tussetkapelle ihre alte religiöse Bedeutung und niemand kommt mehr als Wallfahrer hierher und sucht Heilung von seiner Krankheit. Der Bau war ein Zeugnis des künstlerischen Niveaus und des handwerklichen Könnens der Böhmerwäldler Waldarbeiter, welche in dieser Art in der Vergangenheit ihr Gefühl und ihre Überzeugung ausdrückten." Unsere neue Tussetkapelle in Philippsreut, als Abbild der alten Kapelle vom Tussetberg, ist auch hier wieder das Werk fleißiger und geschickter Hände von Böhmerwäldlern. Viele Menschen können nun wieder religiöse Einkehr halten bei ihrer Gnadenmutter vom Tussetberg.
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